11. Oktober 2016
Die eGovernment-Angebote in der Schweiz seien intransparent, und wichtige Schlüssel-Voraussetzungen für das eGovernment fehlten. Dies besagt der EU eGovernment Benchmark Report 2016.
Wie man es auch drehen und wenden mag: Geht es nach dem „eGovernment Benchmark Report 2016“ der EU, ist die Schweiz ein eGovernment-Entwicklungsland. Während viele EU-Länder grosse Fortschritte machen, kommt die Schweiz scheinbar nicht vom Fleck.

Lebensereignisse als Gradmesser


Der eGovernment Benchmark Report untersucht anhand von sieben „Lebensereignissen“ den eGovernment-Entwicklungsstand der 28 EU-Länder und von sechs weiteren Ländern. Gemessen wird jeweils der Reifegrad im Hinblick auf die Benutzerorientierung (Online-Verfügbarkeit sowie diverse Qualitätskriterien), die Transparenz, die länderübergreifende Mobilität und den Einsatz von fünf Schlüssel-Instrumenten, die von den Autoren als Vorbedingungen für das eGovernment bezeichnet werden.

Europaweit haben sich die Länder vor allem im Hinblick auf die Online-Verfügbarkeit und die länderübergreifende Mobilität verbessert. Am besten unterstützt wird das Lebensereignis „Häufige Firmen-Vorgänge“. Von den Bürgeranliegen schneidet der Umzug am besten ab. Die Autoren bemängeln unter anderem die geringfügigen qualitativen Verbesserungen und die fehlenden Schlüssel-Instrumente.

Schweiz: Nur Benutzerorientierung passabel


Die Schweiz kann einzig im Hinblick auf die Benutzerorientierung einigermassen mit dem europäischen Durchschnitt mithalten. Hier erzielt sie bei den Firmen-Dienstleistungen sogar knapp gute Ergebnisse. Dies betrifft 33 Services im Bereich Firmengründung und 11 Services im Bereich „Häufige Firmenvorgänge“ [u.a. Mehrwertsteuer, Personal]).

Bei den Bürger-Dienstleistungen wie Umzug und Fahrzeugkauf/-nutzung bewegen sich die Schweizer Ergebnisse immerhin im Bereich „ziemlich gut“. Da aber sogar Länder wie die Serbische Republik, die Slowakei und die Tschechische Republik hier grosse Fortschritte gemacht haben, liegt die Schweiz auch hier knapp unter dem europäischen Durchschnitt. Eines der Probleme scheint darin zu bestehen, dass die Mystery Shopper sich jeweils nicht mit dem Online-Dienst der zuständigen Behörde zufriedengeben durften, sondern dass die gleichen Dienste auch über ein nationales Portal angeboten werden müssten.

Intransparent und unvorbereitet?


Besonders schlecht schneidet die Schweiz zum Beispiel bei der Transparenz ab. Insbesondere die Frage, welches Organ für den einzelnen Service letztlich zuständig ist, wurde für die Mystery Shopper (Testeinkäufer) offenbar kaum je beantwortet. Zudem fühlten sie sich absolut nicht in der Lage, die Verwendung ihrer persönlichen Daten zu durchschauen und zu kontrollieren.

Bei den Schlüssel-Instrumenten „Authentic Sources“ und eSafe waren die Ergebnisse ebenfalls massiv schlechter als in anderen Ländern. Unter „Authentic Sources“ wird gemessen, wieweit persönliche Daten zum Beispiel aus einem nationalen Personen-, Steuer- oder Unternehmensregister übernommen und automatisch in Formulare eingefüllt werden. Unter „eSafe“ wird geprüft, wieweit im nationalen Portal ein sicheres Speichern persönlicher Dokumente möglich ist. Hier wird also ein allfälliges Bürgerkonto der Gemeinde gar nicht auf seine Fähigkeiten untersucht. Erwartet wird vielmehr ein nationales Portal. Wenn dieses fehlt, fehlt aus Sicht der Studienautoren eine wichtige Voraussetzung für das eGovernment.

Flexibilität dank Mystery Shoppers


Die eGovernment-Benchmark-Studie der EU wird seit 2012 durchgeführt. Die Mystery Shoppers (Testeinkäufer) sind eine Neuerung in der diesjährigen Studie. Sie sind, im Unterschied zu den früheren Testpersonen, einheimisch und verfügen hiermit über eine gewisse Kenntnis der lokalen Gegebenheiten. Die vorgeschriebenen Testszenarien scheinen aber nationalen Besonderheiten wie zum Beispiel dem ausgeprägten schweizerischen Föderalismus nicht gerecht zu werden. Auch die neu eingeführte Ergebnis-Validierung durch die beteiligten Staaten scheint, sofern sie in der Schweiz überhaupt stattfindet, keine Korrektur zu ermöglichen.

Das System der Mystery Shopper soll in den nächsten Jahren beibehalten werden. Unter anderem sollen die Mystery Shopper den Neuerungen des neuen EU eGovernment Action Plan für die Jahre 2016 bis 2020 besser Rechnung tragen können. Zudem soll sich so die Studienanlage flexibler an die raschen Veränderungen in der Welt des Internets und des mobilen Internets anpassen können.


Weitere Informationen:
European Commission: EU eGovernment Report 2016 shows that online public services improved unevenly, Zusammenfassung der Studie und Download des Insight Report, des Background Reports und weiterer Unterlagen, 3. Oktober 2016
European Commission: Länder-Factsheets zum eGovernment Benchmark Report 2016
ISB: Positive Entwicklung im Schweizer E-Government, Medienmitteilung vom 3. Oktober 2016

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