Bund will elektronische Justizverfahren vorschreiben

Seit 2011 ist eine elektronische Übermittlung im Justizbereich möglich. Doch genutzt wird diese Möglichkeit kaum. Deswegen hat sich der Bund nun entschieden, Nägel mit Köpfen zu machen: Für Gerichte, Behörden, Anwälte und weitere professionelle Rechtsvertretende soll die elektronische Übermittlung von Eingaben und Verfügungen obligatorisch werden.
Zentrale Plattform
Das neue Bundesgesetz über die Plattform für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) sieht für diese elektronische Übermittlung eine einzige zentrale Plattform vor. Der Bund und die Kantone sollen diese Plattform gemeinsam betreiben. Sie soll als Upload- und Downloadplattform ausgestaltet werden. Dadurch werden gemäss erläuterndem Bericht die Probleme der heutigen anerkannten Zustellplattformen behoben, die auf E-Mails basierten und deshalb mit Grössenbeschränkungen verbunden seien.
Elektronische Authentifizierung genügt
Die Dokumente sollen vor den elektronischen Eingaben über die neue Plattform nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden müssen. Auch die elektronische Unterschrift entfällt. Einzig eine initiale Authentifizierung mit einer anerkannten elektronischen Identität ist erforderlich. Die Plattform versieht die Dokumente danach automatisch mit elektronischen Siegeln.
Behörden bezahlen
Die Kosten für den Betrieb der Plattform möchte der Bundesrat bei den Behörden erheben. Durch den Verzicht auf direkte Benutzergebühren soll die Benutzung durch Private gefördert werden. Für Private ist die elektronische Übermittlung freiwillig. Würden dafür direkt Gebühren fällig, könnte dies Private von der Nutzung der Plattform abhalten. Die Behörden können die Gebühren ihrerseits später an die Verfahrensbeteiligten überwälzen.
Organisatorische Vereinfachungen
Die neue Plattform soll allen Beteiligten organisatorische Vereinfachungen ermöglichen. Zu diesem Zweck soll allen Behörden, Anwaltschaften, Treuhandbüros und weiteren Organisationen und Instanzen sowie auch Privaten eine Gruppenverwaltung zur Verfügung gestellt werden. Diese soll es ihnen erlauben, dass potenziell jede Person innerhalb der Organisationen Dokumente übermitteln und empfangen kann. Die jeweiligen zeichnungsberechtigten Personen müssen die Dokumente also nicht mehr selber unterzeichnen/übermitteln. Dies gilt auch für die Verfügungen, Entscheide und Urteile der Behörden.
Eingabefrist bei Nichterreichbarkeit
Für den Fall, dass die Plattform zum Zeitpunkt des Fristablaufs nicht erreichbar ist, verlängern sich die Fristen bis auf den Tag nach erneuter Erreichbarkeit. Da die Störung an einem beliebigen Ort im Netzwerk auftreten kann und nicht unbedingt mit einer Störung der Plattform selbst zusammenhängen muss, wird analog zum bisherigen unverschuldeten Versäumnis kein strikter Beweis für die Nichterreichbarkeit der Plattform verlangt, sondern lediglich ein Glaubhaftmachen.
Weitere Informationen:
Bundesamt für Justiz: Bundesrat schlägt zentrale Plattform für den elektronischen Rechtsverkehr vor, Medienmitteilung vom 11. November 2020
Bundesgesetz über die Plattform für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) – Erläuternder Bericht zum Vorentwurf. Version für die Vernehmlassung, November 2020