19. Januar 2016
Der Bund will nicht mehr selber eine Lösung für den elektronischen Identitätsnachweis herausgeben. Die Erfahrungen im In- und Ausland zeigten, dass sich staatliche Lösungen nicht durchsetzen könnten. Nun will sich der Bund darauf beschränken, privatwirtschaftlich entwickelte Lösungen zu anerkennen und abfragbare Identitätsdaten bereitzustellen.
Das Bundesamt für Polizei fedpol arbeitet seit Längerem an einem Konzept zum Thema elektronische Identitätsnachweis (eID) und hat zu diesem Thema diverse Konsultationen durchgeführt. Am 13. Januar 2016 hat der Bundesrat von der neusten Version des Konzepts Kenntnis genommen und gewisse Eckpunkte beschlossen:

Aus Fehlern gelernt


Der Bund hat 2010 die SuisseID als erste schweizweit anerkannte elektronische Identitätskarte lanciert. Ursprünglich bestand die Absicht, im Rahmen der Arbeiten zur Erneuerung der Identitätskarte die elektronische in die physische Identitätskarte zu integrieren. Inzwischen ist das fedpol jedoch von dieser Idee abgekommen. Auch andere Formen einer staatlichen eID sind nicht mehr vorgesehen. Diesen Meinungsumschwung haben die Beobachtungen in anderen Ländern sowie auch in der Schweiz selber herbeigeführt:

In anderen europäischen Ländern und in diversen Schwellenländern seien zum Teil mit grossem Aufwand staatliche eIDs eingeführt worden. Es zeige sich aber, dass solche Lösungen sich nicht durchsetzen könnten. Sie seien zwar bezüglich Sicherheit hervorragend, aber in der täglichen Handhabung zu kompliziert und für den betreibenden Staat zu teuer.

Auch die Erfahrungen mit der SuisseID in der Schweiz hätten gezeigt, dass es nicht zielführend sei, allein die Sicherheit ins Zentrum zu stellen. Die SuisseID habe sich „trotz hoher Erwartungen … nur als Nischenprodukt etablieren können“. Gründe seien „die wenig komfortable Installation“, die auf drei Jahre limitierte Gültigkeitsdauer, der Mangel an Anwendungen, die fehlende internationale Interoperabilität und die aufwändige und teure Beschaffung. Dagegen gelte zum Beispiel die neue Mobile ID als deutlich nutzerfreundlicher, und für die Nutzer fielen keine direkten Kosten an.

Reduzierte Rolle des Staates


Dennoch ist es für die weitere Entwicklung elektronischer Märkte wichtig, dass in der digitalen Welt die Beteiligten ihre Identität nachweisen können. Der Staat kann und muss hier aufgrund seiner grossen Glaubwürdigkeit eine Rolle spielen. Das neue eID-Lösungskonzept für die Schweiz solle aber „die wichtigsten Kriterien für die Marktakzeptanz möglichst gut und gleichgewichtet erfüllen“. Zu diesem Zweck setzt die Schweiz für die eID selber auf Marktlösungen, wie sie bereits heute in grosser Zahl existieren (z.B. SuisseID, Mobile ID, Google ID, AppleID, Open ID usw.).

Die von Marktteilnehmern lancierten eID-Systeme sollten sich aufgrund ihrer Benutzerfreundlichkeit und vielfältigen Einsetzbarkeit am Markt durchsetzen. Vor allem die Authentifizierung müsse einfach sein, denn sie sei mit Abstand der häufigste Prozess. Bei der Authentifizierung werde nur „eine Bestätigung für die elektronische Identifizierung einer Person eingeholt“. Bei der Identifizierung selber werden dagegen zusätzliche Personenidentifizierungsdaten erfasst, die es erlauben, die Person „im sozialen Kontext“ zu identifizieren. Dies sei oft nur beim Erstkontakt notwendig.

Die Rolle des Staates soll sich im neuen eID-Lösungskonzept darauf beschränken, den Rechts- und Standardisierungsrahmen bereitzustellen und die eID-Lösungen zu anerkennen. Zudem soll er als Dienstleistung für die staatlich anerkannten eID-Systeme „einen Attributdienst für die Beglaubigung von staatlich erfassten Personenidentifizierungsdaten“ betreiben, den „staatlichen Identitätsdienst“ (SID). In sog. „ID-Kontos“ stellt dieser Personeninformationen bereit, welche die eID-Inhaber vertrauenden Dritten zur Verfügung stellen können.

Internationale Einbettung


Die eID-Systeme der privatwirtschaftlichen Identitätsdienstleister sollen durch den Staat aufgrund ihres erreichten Sicherheitsniveaus für die Vertrauensstufen „Silber“, „Gold“ oder „Platin“ qualifiziert werden. Der Rechtsrahmen und die Anerkennungskriterien des Bundes sollen sich eng an der europäischen eIDAS-Verordnung orientieren. Ziel ist es, dass in der Schweiz anerkannte eID-Systeme „durch den Staat bei der EU-Kommission für eine europaweite Anerkennung notifiziert werden“ können. Allerdings ist die Schweiz zurzeit noch weit von der angestrebten gegenseitigen Anerkennung von eID-Systemen mit den Ländern der EU entfernt, denn dafür bräuchte es ein bilaterales Abkommen.

Auftrag ans EJPD


Der Bundesrat setzt also für die künftige Bereitstellung elektronischer Identitätssysteme auf den Markt. Der Bund wäre aus seiner Sicht „der schnellen und dynamischen Entwicklung der Technologie … nicht gewachsen“. Zudem will er Marktlösungen nicht konkurrenzieren. Er hat nun das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement EJPD damit beauftragt, dem Bundesrat bis Ende 2016 eine Vernehmlassungsvorlage zum künftigen eID-Konzept zu unterbreiten.


Weitere Informationen:
Bundesamt für Polizei fedpol: Bundesrat beschliesst weitere Schritte für staatlich anerkannte elektronische Identitäten, Medienmitteilung vom 13. Januar 2016
Bundesamt für Polizei fedpol: Staatlich anerkannte eID-Systeme - Konzept 2015, 12. Januar 2016

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