16. November 2015
Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Big Data braucht es mehr Datenschutz und eine verstärkte wettbewerbsrechtliche Kontrolle der (Quasi-)Monopolisten im Internet-Bereich. Das finden Vertreter der schweizerischen Zivilgesellschaft, der Verwaltung und der Privatwirtschaft.
In immer mehr Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft werden immer grössere Mengen von Daten verarbeitet und miteinander verknüpft. Dieses Phänomen wird unter dem Schlagwort Big Data zusammengefasst. Weil diese Entwicklung sehr rasch voranschreitet, setzt sich der Bund im Jahr 2015 mit dem Thema „Big Data“ auseinander. In diesem Rahmen hat das Bundesamt für Kommunikation Vertreter des E-Government-Instituts der Berner Fachhochschule damit beauftragt, eine Studie zum Thema Big Data durchzuführen.

Grosse Datenmengen


Die Menge der verfügbaren Daten in verschiedensten Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft nimmt laufend zu. Ursache dafür sind die stetig steigenden Analyse- und Speicherkapazitäten der Informations- und Kommunikationstechnologien. Im besten Fall bringt diese Entwicklung Vorteile, indem Technologien verfügbar sind, die es erlauben, dem richtigen Nutzer zur rechten Zeit die richtigen Informationen zu liefern. Dies ist jedoch anspruchsvoll, denn die Datenvolumen nehmen laufend zu und die Daten sind oft komplex und die Datenformate uneinheitlich.

Experten befragt


Die Studie "Big Data: Chancen, Risiken und Handlungsbedarf des Bundes" basiert auf einer qualitativen Befragung und einer quantativen Erhebung bei Experten aus Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft. Befragt wurden 20 Personen, die teilweise als Big-Data-Beobachter, teilweise als Big-Data-Akteure kategorisiert werden. Als Big-Data-Beobachter wurden Vertreter der Zivilgesellschaft (z.B. Stiftung für Konsumentenschutz, Verein opendata, Datenschützer) und der Verwaltung (MELANI, SWITCH) gewählt, als Big-Data-Akteure Vertreter der Verwaltung (Bundesamt für Statistik BFS, SUVA) und der Privatwirtschaft (z.B. Digitec, Roche, SBB, UPC-Cablecom).

Ausgehend von den Ergebnissen der Experten-Interviews haben die Autoren sieben Thesen formuliert. In einer anschliessenden Erhebung wurden 800 Personen befragt, um die Thesen zu überprüfen und zu präzisieren. Dabei wurden gezielt Personen aus möglichst unterschiedlichen Bereichen ausgewählt, die sich jedoch alle die sich mit Big Data auseinandersetzen.

Paradigmenwechsel im Datenschutz


Die bemerkenswerteste Aussage betrifft den Datenschutz: Big Data werde von einer Mehrheit der Befragten mit einer grundsätzlichen Bedrohung der Privatsphäre in Verbindung gebracht. Deshalb brauche es einen Paradigmenwechsel im Datenschutz, meinen die Autoren:

Die Unterscheidung zwischen besonders schützenswerten und weniger schützenswerten Personendaten sei nicht mehr zeitgemäss. Weil vermehrt Daten aus ganz unterschiedlichen Quellen zusammengeführt würden, bestehe die Gefahr der De-Anonymisierung von vordergründig anonymisierten Daten. Vor allem jene Daten, die es erlauben, jemanden zu identifizieren, müssten deshalb geschützt werden. Zudem sei die Einschätzung, welche Daten schützenswert seien, nicht bei allen Individuen gleich.

Regulierung gefordert


Um den Datenschutz sicherzustellen, sollten auch Auflagen, Inspektionen und Bussen zum Einsatz kommen, fanden die Befragten. Insbesondere sollten auch „die Geschäftspraktiken der Internet-Riesen stärker reguliert und kontrolliert werden“. Hier forderten die Befragten auch eine verstärkte wettbewerbsrechtliche Kontrolle der (Quasi-)Monopolisten im Internet-Bereich. Dafür ist ein koordiniertes Vorgehen auf internationaler Ebene unerlässlich.

Persönliche Datenhoheit


Weil Individuen in unterschiedlichen Lebenslagen unterschiedliche Datenschutzbedürfnisse haben, brauche es ein „Empowerment der Nutzer“, damit diese selber bestimmen und kontrollieren können, „wer welche Daten zu welchem Zweck erheben, beziehen und zusammenführen darf“. Längerfristiges Ziel ist dabei das Prinzip der „persönlichen Datenhoheit“. Durch eine stärkere Selbstbestimmung sollen die Ungleichgewichte auf dem Datenmarkt behoben und damit auch der Wettbewerb gestärkt werden.

Handlungsbedarf des Bundes


Die Studie wollte ausdrücklich auch eruieren, wo ein staatlicher Einsatz erforderlich ist, damit Big Data sein Potenzial entfalten kann. Wichtige Handlungsfelder sehen die Autoren einerseits beim Aufbau und bei der Pflege einer nationalen Dateninfrastruktur zur freien Weiterverwendung. Daten bedeuten nämlich Macht. Es besteht die Gefahr, dass sich ein Ungleichgewicht entwickelt zwischen Menschen und Institutionen mit und solchen ohne Datenzugang.

Einen Handlungsbedarf des Bundes sehen die Autoren auch beim Schutz vor Missbräuchen und Ungleichgewichten erforderlich. Es muss sichergestellt werden, dass Grosskonzerne Personen nicht dazu zwingen können, ihre Personendaten freizugeben, damit sie deren Dienste überhaupt nutzen können. Die grosse Schwierigkeit bei vielen dieser Massnahmen besteht darin, dass sie „international koordiniert werden müssen, um wirksam zu sein“.



Weitere Informationen:
Prof. Dr. Thomas Jarchow, Beat Estermann (Berner Fachhochschule, E-Government-Institut): Big Data: Chancen, Risiken und Handlungsbedarf des Bundes - Ergebnisse einer Studie im Auftrag des Bundesamts für Kommunikation, 26. Oktober 2015

Social Media

Twitter